Ein ganzes Dorf sucht seinen neuen Arzt
Verein „Bürger für Resse“ für den 1A-Award nominiert.
Zunehmend finden Ärzte im ländlichen Raum keinen Nachfolger und schließen ihre Praxen, nicht selten trifft es dann auch die Apotheke nebenan. Folge: Das Leben auf dem Land wird immer unattraktiver. Ein Dorf in Niedersachsen resigniert nicht, sondern kämpft um seine Zukunft.
Vor zwölf Jahren gründeten zehn Einwohner den Verein „Bürger für Resse“. Zweck: Erhaltung der ärztlichen Versorgung und Stärkung der Infrastruktur. Inzwischen sind es über 500 Mitglieder. Die größte Herausforderung ist geblieben: Es gibt keinen Hausarzt. Nach knapp zehn Jahren mit einer gut gehenden Arztpraxis, steht das Gebäude wieder leer – und ein ganzes Dorf sucht seinen neuen Arzt! „Wenn er oder sie gefunden ist, kann der neue Arzt gleich die Praxis beziehen und loslegen“, sagt Renate Kolb, die Vorsitzende des Vereins. Die Besonderheit in Resse (2.600 Einwohner): Der Bürgerverein hat 2007 das ehemalige Sparkassengebäude gekauft und zu einer Arztpraxis umbauen lassen. Barrierefrei erreichbar im Erdgeschoss mit zwei Sprech- und zwei Behandlungszimmern – schnelles Internet inklusive.
Für ihren neuen Arzt legen sich die Vereinsmitlieder richtig ins Zeug. Sie haben Anzeigen in Fachzeitschriften geschaltet, Flyer gedruckt und verteilt. „Jeder nimmt sie mit zu Ausflügen und legt sie an belebten Stellen aus“. Auch bei Facebook und in verschiedenen Internetportalen wurde kräftig geworben – „wir leben ja nicht hinterm Mond“, sagt die ehemalige Landärztin. Um an Geld für die Kampagne zu kommen, haben sich die Vereinsmitglieder unkonventionelle Dinge einfallen lassen. Dorfbewohner konnten ihr Pfandgeld beim örtlichen Supermarkt für die Arztsuche spenden, 50 selbstgebackene Kuchen wurden an einem Nachmittag gegen großzügige Spenden abgegeben. Das Motto: Backen bis der Arzt kommt! Und damit nicht genug: an markanten Stellen im Dorf hängen zwei große Banner.
Ausreichend Aufmerksamkeit hat Resse inzwischen, aber noch immer keinen neuen Hausarzt. „Fünf Interessenten waren hier, bislang hat aber noch keiner zugesagt“, so Renate Kolb. „Aber wir hören nicht eher mit unserer Kampagne auf, bis wir es geschafft haben!“ Der Kampf um einen neuen Arzt – er hat das Dorf enger zusammenrücken lassen. „Egal wen man trifft, es ist das Gesprächsthema Nummer eins“, so die Vorsitzende. „Die Resser möchten lieber heute als morgen wieder zu einem Arzt in ihrer Nachbarschaft.“
Auch wenn die Arztpraxis immer noch leer steht, viele Menschen in Wedemark und Umgebung sind begeistert von der Eigeninitiative des Vereins „Bürger für Resse“. Für die Mitglieder eine Selbstverständlichkeit. „Deshalb haben wir den Verein ja gegründet. Wir wollen alle tatkräftig mit anpacken, dass unser Dorf attraktiver wird“, so Kolb.
Die Nominierte
Nominiert für den 1A-Award wird stellvertretend für den Verein „Bürger für Resse“ Renate Kolb, die Vorsitzende. Sie war bis zu ihrem Ruhestand 2008 selbst die Landärztin in Resse. Der Verein hat sich über die Jahre für die Verbesserung der Infrastruktur des Ortes eingesetzt. So hat er eine Genossenschaft gegründet, die das Gebäude für einen neuen Lebenmittelmarkt gebaut hat. Die Geschäftsstelle des Vereins befindet sich im Moorinformationszentrum Wedemark-Resse (MOORiZ), das von den Vereinsmitgliedern ehrenamtlich betreut wird.