Kategorie Apotheke: Wer gewinnt in diesem Jahr den Sonderpreis „Courage“?
Auch in diesem Jahr gibt es neben dem regulären 1A-Award den Sonderpreis „Courage“ – für echte Vorbilder im Gesundheitswesen. Eine unabhängige Jury kürt im Juni den diesjährigen Gewinner. Das sind die vier Nominierten der Kategorie „Apotheke“:
Dr. Hella Dierking
…ist Chefin der alt-ehrwürdigen Einhorn-Apotheke in Hamburg. Seit 1988 führt sie das Familienunternehmen, das ihr Großvater 1884 in Altona gegründet hat. Die Offizin in einer Fußgängerzone hat schon viele ans Herz gehende Geschichten erlebt, eine solche aber noch nicht.
Ein ganz normaler Arbeitstag im August letzten Jahres. Eine Mutter möchte ein Rezept einlösen, sie hat ihr Baby dabei. Plötzlich ist alles anders. Das Baby fängt an zu röcheln, dann setzt die Atmung des kleinen Kindes aus. Schreie, Panik in der Apotheke. Hella Dierking eilt aus dem Backoffice nach vorne, erkennt sofort die dramatische Lage.
Das Baby ist bereits blau angelaufen, als sie mit der Reanimation startet. Eine Situation, die sie kurz zuvor in einem Erste-Hilfe-Kurs geübt hatte. Training ist das eine, hier geht es um Leben und Tod. Mit einer Herzdruckmassage holte sie das Baby zurück, nach zehn Minuten trifft ein Ärzteteam ein, wenig später die Feuerwehr.
Hella Dierking sieht sich selbst nicht als Heldin, sagt aber: „Wir haben einen klaren Notfallplan in unserer Apotheke.An diesem Fall sieht man, wie wichtig klar geregelte Abläufe in einer Krisensituation sind.“
Thomas Harms
…ist Apotheker in Weil am Rhein (Baden-Württemberg) und hat vor über 30 Jahren den Verein „Kinderhilfe KiHeV“ gegründet. Seitdem unterstützt er eine Strahlenklinik in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dort werden Langzeitopfer der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl betreut. Er kümmert sich persönlich um medizinische Geräte und andere Hilfsgüter.
Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine muss seine humanitäre Mission neue Herausforderungen bewältigen. Aber Thomas Harms lässt sich davon nicht beeindrucken. „Wir werden immer einen Weg finden, die Hilfsgüter in die Klinik zu bringen. Das sind wir auch den Menschen schuldig, die dafür Geld gespendet haben.“
Kümmerten sich zu Beginn noch 15 Personen um alle Angelegenheiten der Hilfsorganisation, ist es heute vor allem Harms selbst, der agiert und verwaltet. Doch für Kasse, Protokoll und Homepage habe er Leute.
Jeden Tag telefoniert er mit Professor Anatoly Chumak in der Klinik. „Es ist beruhigend, wenn ich weiß, dass es allen gut geht, der Klinikbetrieb funktioniert und es keine Strom- und Heizungsausfälle gibt.“ Auch erfährt er dann, was gerade am dringendsten benötigt wird.
Melanie Dolfen
…führt seit über zehn Jahren zwei Apotheken in Berlin, eine davon: die BezirksApotheke am Alexanderplatz, spezialisiert auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis. Und das nicht erst seit kurzem, sondern bereits 2013 beantragte die zupackende Apothekerin dafür eine Ausnahmegenehmigung.
So fing alles an: Das Leid einer Patientin mit Multipler Sklerose, deren letzte Chance eine Therapie mit dieser neuen Medikation war, berührte Dolfen so sehr, dass sie trotz aller bürokratischen und rechtlichen Widerstände die Medikation der Patientin ermöglichte.
Dieses außergewöhnliche Engagement sprach sich schnell herum, und Melanie Dolfen ist heute eine der vier Schwerpunkt-Apothekerinnen für die Versorgung mit Medizinal-Cannabis in Deutschland. „Meine Leidenschaft kommt aus der intensiven Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Patientinnen“, sagt die Apothekerin.
Für die Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken hält sie nichts. „Gerade für junge Menschen kann Cannabis echtes Teufelszeug sein.“ Im Gegensatz zu einer Therapie für Betroffen. „Für medizinisches Cannabis würde ich mich prügeln“, erklärte Dolfen auf einer Konferenz.
Horst Schmel
…ist ein Apotheker der ganz alten Schule. Immer im Dienst für den Kunden, immer da für seine Mitarbeiter. Erst mit 75 Jahren hat Mann mit dem grauen Vollbart aus Gilching (Bayern) seine beiden Apotheken verpachtet.
Ausstieg aus dem Job mit 75 – schon eine sehr besondere Geschichte. Doch sieben Jahre später setzt Horst Schmel seiner Karriere die Krone auf. Während der Covid19-Pandemie gab der Pächter der Arnoldus- und Römer-Apotheke auf, 20 Mitarbeitende bangten um ihren Job. Und was macht Horst Schmel? Er steigt kurzerhand selbst wieder ein – als Chef mit 82 Jahren.
Und seinen Humor hat er auch nicht verloren. „Ich bin wieder Jung-Unternehmer und es macht mir richtig Spaß“, erklärte er einem Lokalreporter. Mitten in der Pandemie einen Nachpächter zu finden, das hielt er für aussichtslos. „Außerdem konnte ich nicht nein sagen.“
Aber auch vorher war Horst Schmel nicht wirklich im Ruhestand. Er kümmerte sich intensiv um die Namaste-Stiftung, die er vor etwa 20 Jahren in Gilching mitgegründet hat. Dank vieler Mitstreitern in ganz Deutschland unterstützt er Bergdörfer in Nepal, die oft von der medizinischen Versorgung abgeschnitten sind.