1A-Award 2023,  Arzt

Ein Fehler ist einer zu viel

Patientensicherheit ist oberstes Gebot: Uniklinik für 1A-Award nominiert

Geht es um Patientensicherheit, ist die Medizinische Hochschule in Hannover ein echter Pionier. So wurde in der dortigen Uniklinik bereits vor über 20 Jahren das erste Fehlermeldesystem für Mitarbeitende implementiert. Jetzt werden erstmalig auch Patienten direkt mit eingebunden – das ist eine Nominierung für den 1A-Award wert.

Der professionelle Umgang mit Risiken, Gefahren, Fehlern und Beinahe-Zwischenfällen im Krankenhaus, das ist seit vielen Jahren die Welt von Dr. ­Maria ­Ines ­Cartes, die in Hannover die Stabsstelle für Prozess- und Patientensicherheit leitet. „Wir sind für das Wohlergehen unserer Patienten verantwortlich“, sagt sie, „deshalb sollten wir bei immer knapper werdenden finanziellen und personellen Ressourcen im deutschen Gesundheitswesen ganz besonders auf innovative Manage­mentmethoden setzen.“
Genau dort setzte die Ärztin mit ihrem Team vor Jahren an. Basis war diese Erkenntnis: Das Critical Incident Reporting System (CIRS) zeigt, dass ein eingesetztes Berichtssystem zwar kritische Ereignisse im Routinehandeln aufdecken kann. Für die methodische und strukturierte Bearbeitung, Analyse und Behebung der Risiken ist dieses Instrument jedoch weniger geeignet – vor allem wenn es um das Aufdecken komplexer Fehlerketten oder organisatorischer Mängel geht.

Die Lösung musste also weitergreifen, als ein schlichtes Meldesystem. So etablierte die MHH im Jahr 2000 das Berichtssystem, das 2008 als 3Be-System für Beinahe-Zwischenfälle bekannt wurde. Zwölf Jahre später folgte PORA (prozessorientierte Risikoanalyse). Es diente dazu, die Transparenz eines fehlerhaften Prozesses oder eines Patientenablaufes aufzudecken. „PORA ist eine schrittweise strukturierte Technik“, erklärt Dr. ­Cartes. „Ihr Ziel ist es, die Ursachen fehlerhafter Prozesse zu finden und das prozessorientierte abteilungs­übergreifende Denken eines Teams zu fördern.“ Involviert waren Ärzte, Führungskräfte, Pfleger – alle Mitarbeitenden. Nur eines gab es im ersten Wurf noch nicht: Die Einbeziehung der Patienten. „Das wollten wir unbedingt verbessern“, so Dr. ­Cartes.

Vor kurzem wurde das geändert. „Patienten, Angehörige oder Besucher können jetzt in einem vertraulichen Rahmen über Sicherheitsbedenken, Fehler, Risiken oder Vorfälle im Zusammenhang mit der Behandlung berichten“, erläutert Dr. Cartes­. Bei dem externen Berichtssystem für mehr Patientensicherheit, intern „EBmP“ genannt, können Betroffene mit ihrem Smartphone oder einem Tablet einen QR-Code scannen und so ein Berichtsformular öffnen.

Wer etwas meldet, entscheidet, ob alles vertraulich behandelt werden soll – auch ob man eine Antwort erhalten möchte. „Die MHH will mit dem neuen Berichtssystem ihren Patienten eine Stimme für mehr Patientensicherheit geben“, betont Dr. ­Cartes. Dafür wurde nicht nur die Methodik in der MHH entwickelt, sondern auch die Programmierung vorgenommen.

Seit Mitte September wird das innovative Projekt ausgerollt. „Es wird gerade in einer kleinen internen Gruppe getestet und bald in die Pilotierung gehen. Die eigene Programmierung sowie die Patientensicherheits-Expertise ermöglich­ten es, dieses mit wenig Aufwand und Kosten zu entwickeln und zu implementieren“, so Dr. ­Cartes. Sie hofft sehr, dass die Patienten diesen Mehrwert zu schätzen wissen. „Die Etablierung ist natürlich abhängig von den Ergebnissen der Pilotierung und dem Verhalten der Patienten, Angehörigen und Besucher.“

In knapp einem Jahr wissen dann alle mehr: Die Ergebnisse und Erfahrungswerte werden bei der 18. Tagung für Patientensicherheit am 12. September 2024 vorgestellt.

Dr. Maria Ines Cartes

 

Die Nominierte

Dr. Maria Ines Cartes ist Ärztin im Krankenhausmanagement und seit über 25 Jahren im Bereich Qualitäts-, Risikomanagement und Patientensicherheit verantwortlich tätig. Sie leitet an der Medizinischen Hochschule Hannover die Stabsstelle Prozess- und Patientensicherheit. Dr. Cartes entwickelte das 3Be-System sowie die PORA-Analyse und hat inzwischen über 200 Patientensicherheitsbeauftragte an der MHH ausgebildet.

Bildquelle: Dr. Cartes, Karin Kaiser/MHH